Kolumne: Warum sind Jungen eigentlich so pervers … und Mädchen nicht?

Kolumne „Aus dem Leben einer Sexualpädagogin“ – Teil 3 von Daniela Hoch2

Letzte Woche habe ich mal wieder eine Veranstaltung durchgeführt, die mir noch immer nachgeht….:

“Brave“ Mädchen einer 6. Klasse zwischen 11 und 13 Jahren, für die sich alles um die Fragen dreht: Warum tun Jungs immer so cool, warum ärgern sie uns immer, sind so peinlich und vor allem: Warum sind Jungen immer so pervers?

Die Mädchen kreieren damit ein Bild von Jungen, das mir nicht neu ist. In Mädchengruppen werden Jungen häufig so oder ähnlich beschrieben. Die Mädchen kommentieren das Verhalten der Jungen dann meist mit „kindisch, unreif, nervig und eklig…“. Dieses Mal aber treten die Mädchen mit dem dringlichen Bedürfnis einer Erklärung dieses Verhaltens an mich heran. „Warum sind die so?“

Durch meine Rückfragen stellt sich heraus, dass gar nicht alle Jungen aus der Klasse so sind. Aber eben jene, die mit diesem Verhalten sehr viel Raum einnehmen. Ich frage: Wie sind denn Jungen und Männer in Filmen und Serien, die sich besonderer Beliebtheit bei Mädchen und Frauen erfreuen und die in den Medien als Frauenhelden dargestellt werden?

Wir sammeln und stellen fest, dass es ein klares, gesellschaftlich anerkanntes Bild von erfolgreicher, attraktiver „Männlichkeit“ gibt, an dem sich die Jungen zu orientieren scheinen.
Anschließend frage ich nach Verhalten von Männern aus dem realen Umfeld der Mädchen, wobei sehr vielfältig gelebte Männlichkeiten sichtbar werden, die das Repertoire aus der Welt der Medien weit übertreffen. Dies lasse ich erst einmal so stehen und wirken.

Aber vielleicht doch nochmal zurück zu der Frage: Warum sind Jungen pervers und nicht weniger wichtig: Warum sind es Mädchen nicht?
Pervers heißt für die Mädchen meiner Gruppe, dass sich die Jungen in Bumsbewegungen durch die Räume schieben, mit ähnlichen Bewegungen ebenso Gegenstände vom Fussboden aufheben, lautstark „Penis“ und „Pimmel“ brüllen, mit unangenehmen Andeutungen in Bananen und Mohrrüben beissen und sich gerne mit Masturbations- und Pornoerfahrungen hervortun. Und sowieso scheinen sie alles doppeldeutig zu meinen. Zudem fordern sie die Mädchen regelmäßig auf Seite 76 im Biobuch aufzuschlagen…ich sage nur „nackte Menschen!!!“.

Aber warum verhalten sich Mädchen nicht so? Ist es Ihnen nicht erlaubt?

Wenn wir uns unsere gesellschaftlichen Strukturen ankucken, wird deutlich, dass nach wie vor durch Frauen lustvoll und provokant ausgedrückte Sexualität tabuisiert und skandalisiert wird. Bitch!?

Ein zurückhaltender, auf männliche Befriedigung bezogener, sauberer, genügsamer, zarter und hingebungsvoller Ausdruck weiblicher Sexualität hingegen wird bestätigt und bestärkt.

Aber was heißt das jetzt alles für meine Schulklasse?
Soll ich mit den Mädchen üben „pervers“ zu sein oder soll ich es versuchen, den Jungen abzutrainieren, um Gleichberechtigung herzustellen?

Mein Auftrag ist doch, die Jugendlichen in der Entwicklung ihrer sexuellen Identität bestmöglich zu unterstützen, oder?

Von Daniela Stegemann und Daniela Kühling

7 Gedanken zu „Kolumne: Warum sind Jungen eigentlich so pervers … und Mädchen nicht?

    • Ein kleiner Hinweis: Die Kolumne beschreibt sexualpädagogische Momentaufnahmen. Sie ist keine wissenschaftliche Arbeit, die Fakten oder Behauptungen als einzige Wahrheit zementiert.
      Danke, Daniela Hoch 2 für die gelungene Kolumne!

  1. Hallo zusammen
    Männlich gelesen die Jugendlichen werden dazu sozialisiert, dass sie eher über Sex reden dürfen als weiblich sozialisiert der Jugendliche.
    Aber wo bleiben die Jugendlichen, die sich keine binären Geschlecht zugehörig fühlen? Und ist es nicht auch eine Betrachtung, die dadurch entsteht mit welchem Auge und background wie die Jugendlichen betrachten? Wenn ich meine eigenen Erwartungen in den Jugendlichen wieder finden, liegt das vielleicht auch an mir? Oder andersherum, muss ich mich nicht fragen wenn eine Gruppe in irgendeiner Art und Weise reagiert, ob das nicht auch etwas mit mir zu tun hat?
    Mir ist zum Beispiel das binär-geschlechtlichere Denkmuster aufgefallen. Klar, das ist mein Thema! Aber wenn ich nicht mehr in der geschlechtlichen Binarität denke, verändert sich nicht vielleicht auch etwas im Gruppenverhalten?
    Und natürlich ist es einfacher Jugendliche nach binären Geschlechtern zu trennen, als mit gemischten Gruppen zu arbeiten. Der weibliche Körper wird unser Gesellschaft sexuell hoch stilisiert und gleichzeitig tabuisiert. Das hat natürlich Auswirkung auf das Verhalten in Gruppen.
    Liebe Grüße Holger

  2. ich würde noch die perpsktive hinzubringen, dass kinder, die männlich sozialisiert werden, eher dazu tendieren könnten, den diskurs über sex zu dominieren, was sie dann mit den ihnen zur verfügung stehenden mitteln tun. (das thema ansprechen, andere mit dem thema konfrontieren, gefühle und reaktionen beeinflussen, die darstellung von sex bestimmen).

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