Kolumne: „Aus dem Leben einer Sexualpädagogin“ – Teil 5 von Daniela Hoch2
Der Arbeitsalltag einer Sexualpädagog*in spielt sich nicht immer nur vormittags in der Schule ab. Die Einsatzgebiete und Zielgruppen sind so vielfältig, wie die Themen, mit denen wir täglich umgehen. Nicht selten kommt es vor, dass wir vor einer Gruppe Eltern sitzen. Da sehe ich mich gleich… Mit großen Augen und noch größeren Ohren sitzen sie mir gegenüber. Einige sind interessiert, andere neugierig, manche verängstigt und wie immer einige reserviert. Besonders im Kita-Bereich ist die Nachfrage groß, weil die Sexualität von Kindern nach wie vor ein Tabu-Thema ist.
Die Eltern bewegt: „Was haben unsere unschuldigen Kinder eigentlich mit Sexualität zu tun?“
Und: „Warum sollten wir diesbezüglich schlafende Hunde wecken?“
Ich erkläre ihnen, dass Kindliche Sexualität in seiner Vielfältigkeit und Ganzheitlichkeit etwas anders funktioniert als erwachsene Sexualität. Nix mit zielgerichteten Aktionen und auch das Konzept von Erotik ist eindeutig was für Erwachsene. Kinder können damit genauso wenig anfangen, wie mit den schwierigen, schmerzhaften Seiten, an die Erwachsene schnell denken. Für Kinder steht das Wahrnehmen und Erkunden des eigenen Körpers und den der anderen mit allen Sinnen, die Neugier und der Wunsch nach Körperlichkeit, Zärtlichkeit, Nähe und Vertrauen im Mittelpunkt.
Und schon sind wir mitten im Kita-Alltag: aufgeregte Grüppchenbildung beim gemeinsamen Toilettengang, der Sprung ins Gebüsch, um in Ruhe dem Po-Vergleich nachgehen zu können und die sogenannten Doktorspiele. Da steigen bei den einen die Ängste hoch, während die anderen schmunzelnd und entspannt drein gucken. Ich steige in die Perspektive der Kinder und erkläre, dass es nicht nachvollziehbar ist, wenn immer dann von Erwachsenen unterbrochen wird, sobald bestimmte Körperpartien erreicht werden. Eine verwirrende Botschaft. Für Kinder ist das Untersuchen von Ohren genauso aufregend, wie das Untersuchen von Penis und Vulva. Handelt es sich nicht bei alledem um Körperöffnungen? Spannend! Die einen lachen, die anderen gucken misstrauisch aber fangen an die Perspektive zu verstehen.
Da zeigt ein Elternteil auf und fragt: „Warum teilt mein Kind so intime Erlebnisse eigentlich mit unterschiedlichen Gegenübern?“ Kinder sind nicht unbedingt wählerisch, sondern in erster Linie auf die Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse und vor allem der Neugier fokussiert. Für sie sind körperliche Erkundungen ein Thema von vielen.
Schon das Vorbeifliegen eines Schmetterlings kann neues Interesse wecken und den Fokus verschieben. „Verblüffend offen unsere Kleinen“, platzt es aus einer Mutter heraus.
Wir als Erwachsene müssen uns darüber im Klaren werden, dass kindliche Sexualität Teil der Identitätsbildung von Kindern darstellt und wie alle anderen Bereiche in der Entwicklung von Kindern eine liebevolle und fördernde Begleitung benötigt. Es ist ein Bereich von vielen, der weder überbetont, noch vernachlässigt oder tabuisiert werden darf.
Da traut sich die nächste Frage ans Licht: „Also dieser hochrote Kopf, das aufgeregte atmen mit diesen Lauten und den rhythmischen Bewegungen…ist das normal? Ist das nicht zu anstrengend in der Mittagspause? Die sollen sich doch ausruhen!“ Peinlich berührtes Nicken und zustimmen. Sie kennen es fast alle. Unsere schlafenden Hunde lieben es sich schöne Gefühle zu machen…ob beim Einschlafen, oder zwischendurch. „Und bitte was soll ich antworten, wenn ich gefragt werde ‚Wo kommen die kleinen Babys her?‘“ Jetzt sind wir drin. Den Rest unserer Zeit füllen wir mit Fragen, die schon lange schlummern und Antworten, die mit Mythen und Unwahrheiten aufräumen. Hitzige Diskussionen entfachen, lautes Lachen löst die Spannung und liebevoll sprechen wir über die schlafenden Hunde, die von Anfang an wach sind.