FAQs zur Sexualpädagogik/ Sexuellen Bildung

Aktualisierte und überarbeitete Fassung unserer FAQs vom September 2015. Vielen Dank an die vielen Kolleg*innen, die daran mitgearbeitet haben.

Führt Sexualpädagogik zu einer Sexualisierung von Kindern?

Nein, Sexualpädagogik bewirkt keine Sexualisierung von Kindern, sondern sie fördert ihre Kompetenz, mit vorhandenen sexuellen Gefühlen, Gedanken, Wünschen und Ausdrucksformen selbstbestimmt, verantwortlich und gewaltfrei umzugehen. Schulische Sexualerziehung ist durch einen Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) von 1968 nach dem fächerübergreifenden Prinzip geregelt. 90% der Jugendlichen geben in der Studie „Jugendsexualität“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA 2010) an, Sexualaufklärung in der Schule gehabt zu haben. Keine andere Quelle der Sexualaufklärung wird häufiger genannt als die Schule. Im Schulunterricht werden vor allem die Themen Schwangerschaftsverhütung und Prävention von Geschlechtskrankheiten behandelt. Kinder und Jugendliche wollen aber mehr wissen, weil verschiedene Formen der Sexualität in ihrer Alltagsrealität präsent sind. Über vieles möchten sie mit ihren Eltern oder Lehrkräften nicht sprechen, da es ihnen peinlich ist. Hier bieten externe Expert*innen, z. B. von pro familia, dem Sozialdienst katholischer Frauen, der Diakonie, der AWO oder Aufklärungsprojekten Jugendlichen die Möglichkeit, in einem geschützten Rahmen über Fragen, Themen und Unsicherheiten zu sprechen.

Menschen sind zudem sexuelle Wesen von Anfang an. Schon bei Föten und Säuglingen kann eine Erregung der Geschlechtsorgane beobachtet werden (Schuhrke 2014). Kinder erleben sexuelle Situationen jedoch ganz anders als Erwachsene und messen ihm nicht dieselbe Bedeutung bei. Daher wird in der Sexualwissenschaft zwischen kindlicher und erwachsener Sexualität unterschieden (vgl. Schmidt 2012). Um Kinder in ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung zu unterstützen, ist es wichtig körperliche und sexuelle Aspekte wahrzunehmen und zu thematisieren.

Ist es nicht das Recht der Eltern, ihre Kinder in sexuellen Dingen aufzuklären und zu erziehen? Warum gibt es Sexualerziehung in der Schule?

Sexualerziehung ist nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1977 der Schule ebenso wie den Eltern als Aufgabe übertragen. Nicht alle Eltern sind gesprächsbereit und nicht in jedem Elternhaus findet Aufklärung statt. Es gilt also nicht nur das Recht der Eltern aufzuklären, sondern auch das Recht der Kinder, Antworten auf Fragen zu erhalten. Pädagog*innen können hier eine hilfreiche Ergänzung bzw. Ersatz bieten.

Was sind die Ziele von Sexualerziehung?

Neben der Vermittlung von Wissen über den Körper zählen Selbstbestimmung und Anerkennung zu den wichtigsten Zielen. Sexualerziehung will zu einer selbstbestimmten Sexualität befähigen. Selbstbestimmt ist Sexualität dann, wenn eine Person selbst und frei von macht- oder gewaltvoller Beeinflussung entscheiden kann, wer ihr nahe sein darf, welche Berührungen als angenehm empfunden werden und welche nicht. Menschen sollen gestärkt werden, die lustvollen Seiten des Körpers, der Sinne und der Berührungen mit sich selbst und anderen zuzulassen. Dies ist wichtig, damit das Selbstwertgefühl und das Selbstbewusstsein wachsen können. Sexualpädagogik bestärkt und befähigt Menschen das auszudrücken, was sie möchten und was sie nicht möchten. Auf diese Weise gelingt es ihnen besser wahrzunehmen, was ihnen gut tut und was nicht.

Anerkennung meint, Menschen in ihrer Individualität persönlich zu achten, rechtlich zu unterstützen und sozial wertzuschätzen. Das bedeutet, dass Unterschiede zwischen Menschen anerkannt werden und keine Grundlage von Ausgrenzung oder Abwertung sein dürfen. Dies betrifft das Geschlecht, die Herkunft und eine Behinderung, aber auch die sexuelle Orientierung, wie z.B. Hetero-, Homo- und Bisexualität und die Geschlechtsidentität. Niemand darf aufgrund eines dieser Merkmale über weniger Rechte oder Anerkennung verfügen.

Welche Inhalte vermittelt Sexualerziehung?

Sexualpädagogik findet sowohl in schulischen als auch in außerschulischen Kontexten statt und reagiert zunächst auf Fragen der Kinder und Jugendlichen. Sie brauchen eine altersangemessene Aufklärung über körperliche und seelische Vorgänge. Dazu gehört, auch über sexuelle Vorgänge und Erfahrungen sprechen zu können und Wissen zu erhalten, um eigene Erlebnisse sowie ihr Umfeld besser einordnen zu können. Dies kann bedeuten, zu informieren und Gespräche darüber zu ermöglichen, wie Kinder entstehen und heranwachsen, dass jedes Kind besonders ist und ein Recht darauf hat, vor Abwertung und Ausgrenzung geschützt zu werden. In der Pubertät kommen andere Themen hinzu, z.B. wenn die erste Regelblutung einsetzt oder wenn sexuelle Bilder gesehen wurden, die verwirren. Manche Jugendliche wollen wissen, wie man sich im Internet vor Bloßstellung schützen kann, welche unterschiedlichen Familienformen es gibt oder was gleichgeschlechtliche Gefühle bedeuten und vieles mehr. Zudem vermittelt Sexualpädagogik, wie Beziehungen gelebt und Konflikte gelöst werden können.

Verwirrt oder „sexualisiert“ eine „Sexualpädagogik der Vielfalt“?

Nein, eine „Sexualpädagogik der Vielfalt“ dient weder der Verwirrung noch der „Sexualisierung“ von Kindern und Jugendlichen. Sie zielt vielmehr auf einen selbstbestimmten, gewaltfreien und anerkennenden Umgang mit den vorhandenen sexuellen Gefühlen, Gedanken, Fähigkeiten und Wünschen. Dabei arbeitet sie – wie jede (Sexual)Pädagogik – stets zielgruppenorientiert und altersangemessen. Jede Übung, die zum Beispiel im Buch „Sexualpädagogik der Vielfalt“ enthalten ist, ist als Vorschlag oder Anregung für die Lehrkraft bzw. Pädagog*in zu verstehen und ermöglicht es, Themen, die in der Jugendgruppe präsent sind, aufzugreifen. Kindern und Jugendlichen Informationen zu verweigern, nach denen sie fragen, verwirrt sie mehr, weil sie mit ihren Fragen oder ihrem Halbwissen alleingelassen werden. Demgegenüber hilft Wissen, Eindrücke, Gefühle oder Erfahrungen besser einzuordnen. Dies gilt beispielsweise für eine Körperaufklärung, die Veränderungen in der Pubertät besser verstehen lässt oder für die Wahl des geeigneten Verhütungsmittels, aber auch wenn es darum geht pornografische Bilder einzuordnen.

Sind Sexualerziehung, Arbeit gegen Diskriminierung und gegen sexualisierte Gewalt nicht völlig verschiedene Themen?

Sexualität ist ein wesentlicher Bestandteil der Persönlichkeit. Sie umfasst das Verhältnis zum eigenen Körper und zum Geschlecht. Zudem hat sie auch Auswirkungen auf die Liebes- und Lebensweisen von Menschen. Die pädagogische Begleitung beim Thema Sexualität lässt sich daher nicht künstlich in Körperaufklärung, Moralerziehung, Geschlechtserziehung, Anti-Diskriminierung und Prävention von sexuellen Übergriffen aufteilen. Die Bearbeitung dieser Themen bildet zusammen eine ganzheitliche Sexualpädagogik. Gerade deshalb ist Sexualerziehung von der KMK nach dem fächerübergreifenden Prinzip und von den einzelnen Bundesländern in Richtlinien verankert worden. Manche Kinder und Jugendliche werden gerade wegen ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität oder ihres Geschlechtsausdrucks diskriminiert und sind gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt. Sie brauchen die Unterstützung und die Begleitung aller Lehrkräfte, Eltern und ggf. von Beratungseinrichtungen. Daher ist Sexualpädagogik auch Anti-Diskriminierungsarbeit. Bestandteil einer jeden sexualpädagogischen Arbeit ist die Auseinandersetzung mit Vielfalt und die Auseinandersetzung mit individuellen Grenzen, mit gesellschaftlichen Machtstrukturen und sexualisierter Gewalt. Sexualpädagogik ist in diesem Sinne immer Gewaltprävention, denn sie zielt auf die Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Henningsen/ Beck 2014). Kinder und Jugendliche sollten ihre eigenen Gefühle, ihre eigenen Grenzen und die der anderen wahrnehmen können und wissen, was sie wollen bzw. was sie nicht wollen.

Ab welchem Alter sollte man Kinder mit dem Thema Sex konfrontieren?

Die Sexualpädagogik konfrontiert Kinder und Jugendliche nicht mit Sexualität, sondern sie ermöglicht es ihnen altersangemessen, zielgruppenorientiert und wertschätzend mit sich selbst, ihren Fragen und dem, was sie in ihrer Lebenswelt wahrnehmen, selbstbestimmt umzugehen. Kinder kommen – meist durch Gleichaltrige oder Medienkonsum – sehr früh mit verschiedenen Themen in Berührung und stellen sich Fragen: Conchita Wurst gewinnt den Eurovision-Song-Contest, der Ex-Kapitän der deutschen Fußballnationalmannschaft, Thomas Hitzlsperger, outet sich als homosexuell, im Kindergarten erzählt ein Kind davon, dass es zwei Mütter hat. Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt existieren, sie sind im Leben von Kindern und Jugendlichen schon früh präsent.

In diesem Zusammenhang sollte beachtet werden, dass in fachlichen Diskursen ein weiter Begriff von Sexualität verwendet wird, der sich vom Alltagsgebrauch unterscheidet. Während Sexualität im Alltag meist Geschlechtsverkehr meint und ein enges Verständnis zugrunde gelegt wird, umfasst der Begriff in Fachdebatten ein weites Bedeutungsspektrum, z. B. auch Streicheln, zärtliche Berührungen, Flirten oder erotische Fantasien und Träume (vgl. Sielert/ Valtl 2000, 170 f).

Sind Eltern, die sich kritisch mit dem Thema Sexuelle Bildung auseinandersetzen, reaktionär oder verklemmt?

Nein, sich kritisch auseinanderzusetzen heißt ja, interessiert zu sein, etwas wissen zu wollen und sich nicht alles einreden zu lassen. Viele sind durch die derzeitige mediale Anti-Sexualerziehungskampagne verunsichert und interessieren sich nun für Sexualpädagogik. Kinder, Jugendliche und ihre Eltern haben ein Recht auf sexuelle Bildung. Sie brauchen Informationen über das, was wirklich in der Sexualerziehung passiert. Die Überlegungen, Kinder und Jugendliche von Sexualerziehung fern zu halten oder sie nicht zu informieren, garantiert gerade nicht eine ungestörte Entwicklung, sondern ist ein Beitrag zur Fremdbestimmung und führt zu Verwirrung und Unsicherheit. Denn so werden erste körperliche und sexuelle Erfahrungen tabuisiert, es kann keine angemessene Sprache dafür entwickelt werden und keine Grundlage für einen selbstbestimmten Umgang mit körperlichen oder sexuellen Regungen gelegt werden. Eine verhinderte oder verspätete Sexualerziehung ist ein Einfallstor für sexualisierte Gewalt, weil Kinder nicht in die Lage versetzt werden, das, was ihnen widerfährt, einzuordnen, sich zu wehren oder sich Hilfe zu holen. Zudem kann eine selbstbestimmte Sexualität durch mangelnde Informationen über Verhütung oder Möglichkeiten der Lebens- und Partnerschaftsgestaltung stark eingeschränkt oder verhindert werden.

Wer ist eigentlich der Urheber der Übungen in „Sexualpädagogik der Vielfalt“ und welche empirischen Grundlagen hat das Buch?

Die Methoden sind von einem Team zusammengestellt worden, das seine gesamte langjährige Erfahrung in der sexualpädagogischen Praxis, in Forschung und Lehre auf diesem Gebiet eingebracht hat. Zudem haben sich Kolleg*innen aus dem gesamten Bundesgebiet daran beteiligt und den Herausgebenden ihre bewährten Methoden oder auch neue Anregungen zukommen lassen. Das Buch „Sexualpädagogik der Vielfalt“ ist kein Lehrplan, kein Curriculum und kein Unterrichtsbuch. Es greift die Themen Sexualität, Beziehung, Identität und Prävention auf und macht Vorschläge, wie diese Inhalte mit Jugendlichen in und außerhalb der Schule behandelt werden können. Jede der 70 vorgeschlagenen Methoden muss an die jeweilige Jugendgruppe und die jeweilige Situation angepasst werden. Niemand muss eine der vorgeschlagenen Methoden auswählen und umsetzen.

Sexualpädagogik der Vielfalt setzt sich auch aktiv dafür ein, die Norm der Zweigeschlechtlichkeit und der Heterosexualität zu überwinden. Warum?

Die Sexualpädagogik der Vielfalt kritisiert, dass allen Kindern und Jugendlichen vorgeschrieben wird, was als „das Gesunde“ bzw. „das Normale“ gilt. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass alles, was der Norm nicht entspricht, als „krank“ wahrgenommen wird. Manche Kinder und Jugendliche werden wegen ihrer gleichgeschlechtlichen Gefühle oder weil sie trans- oder intergeschlechtlich sind diskriminiert und sind gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt. Das entspricht dem Tatbestand der Diskriminierung und dem muss Schule entgegenarbeiten, denn diskriminierungsfreies Lernen ist laut UN-Kinderrechtskonvention ein Grundrecht. In der Sexualpädagogik geht es einerseits darum, Menschen/Jugendlichen, die in ihren Liebes- und Lebensweisen nicht der Mehrheitsgesellschaft entsprechen, Anerkennung und Unterstützung zu geben (Empowerment). Und andererseits will sie allen Menschen die Kompetenz vermitteln, Liebes- und Lebensweisen, die nicht den eigenen Vorstellungen entsprechen, sowie die Bedürfnisse anderer anzuerkennen (Solidarität).

Im Buch „Sexualpädagogik der Vielfalt“ gibt es zum Teil sehr detailreiche Aufgabenstellungen, in denen es um Analverkehr, Sexspielzeuge und die Einrichtung eines Bordells geht. Was soll die Auseinandersetzung damit bringen?

Solche Themen werden von Jugendlichen in manchen Gruppen angesprochen. Sexualpädagogik möchte einen Raum schaffen, in dem unterschiedliche Fragen gestellt, Unsicherheiten und auch Ängste, die Sexualität, Beziehung und Liebe betreffen, besprochen werden können. Wenn sexuelle Praktiken von den Jugendlichen nicht angesprochen werden, kommt eine solche Methode auch nicht zum Einsatz. Sexualerziehung greift sexuelle Praktiken dann auf, wenn diese von Kindern und Jugendlichen thematisiert werden oder wenn sie zur Prävention von ungewollten Schwangerschaften bzw. sexuell übertragbaren Krankheiten relevant sind. In solchen Zusammenhängen muss es auch möglich sein, z. B. darüber zu sprechen, ob  bzw. welche Risiken beim Hinunterschlucken von Sperma bestehen. Jugendliche werden ermutigt, nur die Praktiken auszuprobieren, die sie auch wirklich wollen und sich nicht von anderen dazu überreden zu lassen.

Wollen sich alle 12- oder 13-Jährige so detailreich mit dem Thema auseinandersetzen? In dem Alter beginnt das Interesse an Sexualität doch erst zaghaft.

Ausgebildete Sexualpädagog*innen schauen zuerst, welche Bedürfnisse und Themen in einer Zielgruppe vorhanden sind. Nach einer solchen Analyse wählen sie geeignete Methoden aus und verändern sie so, dass sie den Bedürfnissen ihrer Gruppe entsprechen. Die pädagogische Praxis zeigt, dass einige Kinder und Jugendliche Fragen zu Themen wie sexuelle Praktiken, Sexspielzeug oder BDSM haben. Meist nicht in dem Sinne, dass sie selbst mit solchen Sachen Umgang haben oder sie für sich für wesentlich halten. Aber solche Details tauchen als Begriff oder Bild z. B. im Internet auf und fließen in Gespräche unter Jugendlichen ein. Studien zufolge haben ca. zwei Drittel der Jugendlichen zwischen elf und 17 schon Erfahrung mit Pornografie gemacht (Klein 2015). Dies wirft bei den Jugendlichen Fragen auf. Manche Jugendliche bringen solche Themen in den Unterricht mit und andere nicht. Grundsätzlich gilt: Die individuellen Grenzen der Kinder sind zu achten. Alle Methoden beruhen auf Freiwilligkeit. Es muss niemand über sich selbst sprechen oder etwas tun, was sie oder er nicht möchte. Sexualpädagog*innen ermutigen alle Jugendlichen ausdrücklich dazu, dies für sich selbst zu entscheiden und achten darauf, dass auch die anderen keinen indirekten Druck ausüben. Konkrete Vorüberlegungen für pädagogische Fachkräfte bis hin zu Gesprächsregeln kann man auch in der Einleitung des Buchs „Sexualpädagogik der Vielfalt“ nachlesen. In einem geschützten Raum, den Sexualpädagogik bietet, können Kinder und Jugendlichen ihre Themen und Fragen besprechen. Dies bietet auch die Möglichkeit, eigene Grenzen und die der anderen kennenzulernen.

In der Übung „3, 2, 1 – deins“ befinden sich in einem Mietshaus eine alleinerziehende Mutter, ein heterosexuelles kinderloses Paar, ein schwules Paar, ein lesbisches Paar mit zwei Kindern, ein Senioren-Paar, eine Wohngemeinschaft mit drei Behinderten, eine Spätaussiedlerin. Warum wohnt keine durchschnittliche Familie mit zwei Kindern in diesem Haus?

Familiensoziologische Untersuchungen zeigen deutlich, dass die oben genannten Lebensformen Teil im Spektrum der Diversität aller gegenwärtigen Lebensformen sind (Statistisches Bundesamt 2014). Insofern spiegeln diese die Lebensrealität wider, in der Kinder und Jugendliche heute aufwachsen. Sexualpädagogik geht von der gegebenen Vielfalt aus und thematisiert diese. Sexualpädagogik möchte so Jugendliche dazu befähigen, selbstbestimmt die eigene Form des Lebens und Liebens zu wählen. Jede Übung kann ergänzt und variiert werden, d. h. auch die Mutter-Vater-Kind-Familie kann hinzugefügt werden. In Schulbüchern kommen fast ausschließlich heterosexuelle Paare vor (vgl. Bittner 2011), daher stellt diese Übung bewusst das in den Mittelpunkt, was sonst ausgelassen wird.

Muss Sexualerziehung unbedingt mit Gefühlen, Nähe- und Distanzerfahrungen sowie körperlichen Übungen arbeiten?

Nein, das muss sie nicht. Solche sexualpädagogischen Prozesse sind nicht in jeder Situation, nicht durch jede beliebige Person und auch nicht durch jede Lehrkraft in der Schule sinnvoll umzusetzen. Dazu sind professionelle Beziehungskompetenz und pädagogischer Takt gefragt – und das lernen professionelle Sexualpädagog*innen wie auch gute Lehrkräfte. Denn Sexualität beinhaltet neben einer Wissensdimension auch eine emotionale und eine soziale Dimension. Wenn Kinder und Jugendliche jedoch wissen, was sie wollen und was sie nicht wollen, wenn sie gelernt haben, dies zu artikulieren und Grenzen zu signalisieren, hat Sexualpädagogik ihren wichtigen Teil zur Prävention von Grenzüberschreitungen und sexualisierter Gewalt beigetragen.

Literatur

Bittner, Melanie (2011): Geschlechterkonstruktionen und die Darstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans* und Inter* (LSBTI) in Schulbüchern. Eine gleichstellungsorientierte Analyse im Auftrag der Max Träger Stiftung, Frankfurt/ M.: GEW.

Bundesamt für Statistik (Hg., 2014): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Haushalte und Familien. Ergebnisse des Mikrozensus, Wiesbaden: Hg.

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA, 2010): Jugendsexualität. Wiederholungsbefragung von 14- bis 17-Jährigen und ihren Eltern, Köln: BZgA.

Henningsen, Anja/ Beck, Mirja (2014): Sexuelle Bildung und ihr gewaltpräventiver Charakter in der Kindertagesstätte, in: Frühe Kindheit Heft 03/ 2014, 14-21.

Klein, Alexandra (2015): Zur These der Pornografisierung der Jugend, in: sozialmagazin Heft 1-2/ 2015, 16-25.

Schmidt, Gunter (2012): Kindersexualität. Konturen eines dunklen Kontinents, in: Quindeau, Ilka/ Brumlik, Micha (Hg.): Kindliche Sexualität. Weinheim: Beltz Juventa.

Schuhrke, Bettina (2014): Die psychosexuelle Entwicklung in der frühen Kindheit, in: Frühe Kindheit, Heft 3/ 2014, 6-13.

Sielert, Uwe (2014): Sexualerziehung, sexuelle Bildung und Entwicklung von Sexualkultur als sozialpädagogische Herausforderung, in: sozialmagazin Heft 1-2/2014, 38-45.

Sielert, Uwe/ Valtl, Karlheinz (2000): Sexualpädagogik lehren. Didaktische Grundlagen und Materialien für die Aus- und Fortbildung, Weinheim: Beltz.

Hier finden Sie zudem eine weitere umfangreiche Liste von Literaturempfehlungen der gsp.

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